Ich weiß, es ist eine provokative Frage: Über was haben Sie zuletzt beschwert? Wir werden ja immer wieder mal mit irgendwelchen unangenehmen Überraschungen konfrontiert – sogar wenn es gut gemeint war.
Aber gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht, richtig? Wenn sich also meine Arbeitskollegin ungefragt an meinem Arbeitsbereich zu schaffen macht, sollen wir auch noch dankbar sein? Wäre es nicht ehrlicher, sie rauszuwerfen? Aber Moment mal, das wäre jetzt nicht wirklich kollegial, oder? Schließlich brauche ich vielleicht wirklich mal ihre Hilfe und wenn ich jetzt undankbar bin, wird sie mir beim nächsten Mal die kalte Schulter zeigen. Also einfach zähneknirschend erdulden?
Dankbarkeit erhält die Kooperationsbereitschaft
Man versucht sich ja schon mal gegenseitig zu unterstützen. Was aber, wenn diese Hilfe gar nicht wirklich gewünscht ist, oder – noch schlimmer – richtig schief geht und nur dazu führt, dass ich mich unbeliebt mache? Das wird wahrscheinlich das letzte mal sein. Ich nehme ja gern mal ein Päckchen für einen Nachbarn an. Aber wenn ich es ihm nach Hause bringe, damit er mich so mürrisch abfertigt, als sei ich ein lästiger Vertreter, wird das wahrscheinlich der letzte Botendienst sein, den ich ihm erweise. Dabei erwarte ich nicht mehr als ein schlichtes Dankeschön.
Und so halte ich es auch mit meiner Arbeitskollegin. Sogar, wenn ich einfach nur mein Pensum abarbeiten will und sie mir dazwischen funkt. Aber wie kommen wir also raus aus der Nummer, ohne sie vor den Kopf zu stoßen? Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: „Danke schön, ich komme ab jetzt allein zurecht.“ Oder „Das ist total nett von dir, dass du mir helfen wolltest, aber ich möchte das jetzt selbst machen.“ Ich werfe ihr nicht vor, mich bei der Arbeit unterbrochen zu haben. Stattdessen zeige ich ihr meine Dankbarkeit für ihre Bereitschaft, mir zu helfen. Es ist ein Ausdruck meiner Wertschätzung.
Darum ist Wertschätzung tatsächlich lebenswichtig
Das trifft in vielen Lebensbereichen zu: Positives Feedback tut einfach gut, kostet nichts und bringt eine Menge. „Danke für den Kaffee“, wenn ich eingeladen wurde, denn ich nehme es nicht als selbstverständlich hin. Das erste Geschenk meiner damals zweijährigen Tochter war ein Blatt Papier mit einigen Buntstiftstrichen darauf. Für einen Unbeteiligten war es vielleicht nur Gekritzel. Für mich war es ihr erstes kleines Kunstwerk, für ihren Papa! Was aber hätte ich ihr angetan, wenn ich es nicht als solches hätte.
„Freude ist die einfachste Form der Dankbarkeit.“ Karl Barth
Abwertungen tun weh. Und die Freude und Kreativität eines Kindes ist zerbrechlich. „Was soll das denn sein? Bin das etwa ich?“ Jedes einzelne Mal, wenn wir einen kreativen Versuch unseres Kindes abwerten, bekommt seine Schöpferkraft einen Knacks, bis sie endgültig zerbricht. Dabei kann es auch schon verletzen, dass das im Kindergarten mühsam zusammengeklebte Etwas beim Abholen hastig in die Tasche gestopft und nie wieder angeschaut wird.
Schließlich sind wir Menschen soziale Wesen und brauchen ein gewisses Maß an gegenseitiger Anerkennung und Bestätigung. Umgekehrt ist jede Nichtbeachtung, auch eine Abwertung mal mehr, mal weniger verletzend.
Dankbarkeit und Wertschätzung für die Leistungen anderer auszudrücken ist ein Zeichen von Größe und Charakter.
Diese unangenehm lauten Restaurantgäste, und auch nach der letzten Runde, die aufs Haus ging, nicht gehen wollten, gaben am Ende keinen Cent Trinkgeld. Zuwendung und Anerkennung tun gut – wenn sie denn geäußert wird. Sogar, wenn es nicht mehr als ein trockenes „Danke schön“ oder ein paar Cent für die Trinkgeldkasse war. Und wenn mal wieder niemand die eigenen Leistungen anerkennen will, darf man sich auch gern selbst bestätigen.
Denn wir sollten uns ohnehin nie abhängig machen von vom Lob oder der Anerkennung anderer. Und gerade in solchen unerfreulichen Momenten sollten wir einen Moment vergegenwärtigen, was wir in den letzten Stunden, Tagen und Monaten geleistet haben. Wenn alle anderen keinen Sinn für bestätigen wir eben selbst. Lehnen wir uns also öfter zurück und geben uns selbst die Anerkennung, die wir verdient haben. Und nicht zuletzt: Für alles Gute, was wir erhalten haben, dürfen wir dankbar sein und dies auch öfter mal äußern. Denn so stärken wir unser Netzwerk der Menschlichkeit, von dem wir alle leben.